Seit weit mehr als 100 Jahren befördert die Oberbaumbrücke in Berlin Menschen, Autos und Bahnen von Kreuzberg nach Friedrichshain und wieder zurück. Sie ist das Paradestück unter den Berliner Brücken, deren Anzahl immerhin die Brücken Venedigs übersteigt. Und seit ihrer Wiedereröffnung nach dem Mauerfall auch Treffpunkt faszinierender Events wie der jährlich stattfindenden „Wasser- und Gemüseschlacht“.
Die Oberbaumbrücke – Eine U-Bahn-Brücke?
In den Jahren 1894 bis 1987 entstand die heutige doppelstöckige Brücken im neugotischen Stil. Name und Aussehen sollten dabei auf die Funktion der bis dahin hölzernen Brücke an diesem Ort verweisen. Durch die Berliner Zoll- und Stadtmauer, deren einziges erhaltenes Tor auf festem Boden das Brandenburger Tor ist, wurden auch zwei Brücken zur Eintreibung der Zölle nötig. Nachts wurden diese Brücken mit einem nägelverzierten Stamm, dem sogenannten „Baum“ versperrt, einmal an der Oberbaumbrücke und einmal an der Unterbaumbrücke, der heutigen Kronprinzenbrücke. Die wehrhaften Türme in der Mitte erinnern noch symbolisch an diese Zeit, die Gleisen auf der oberen Etage weisen allerdings mit großem Nachdruck ins 20. Jahrhundert. Denn die Eröffnung der Brücke stand auch im Zusammenhang mit der 1902 eröffneten ersten Berliner U-Bahnlinie, der heutigen U1. Allerdings sprach man damals von der Berliner Hoch- und Untergrund-Bahn und besonders die Linien U1 und U2 geben davon noch heute einen guten Eindruck.
Nach dem 2. Weltkrieg war die Oberbaumbrücke stark zerstört und wurde 1950 für sämtliche Fahrzeuge gesperrt. Ab dem Jahr 1963 diente sie als Grenzübergang und musste seine U-Bahn-Brücke teilweise an ein Gebäude der Grenzkontrolle abtreten. Bis zu einem speziellen Abkommen 1975 ertranken rund um die Brücke an der Kreuzberger Seite mehrere Kinder, da ihnen von der Westseite nicht geholfen werden konnte und die Ostseite Hilfemaßnahmen unterließ.
Im Jahr 1995 war es dann endlich wieder soweit, nach einer 70 Millionen teuren Restaurierung wurde die Berliner Oberbaumbrücke wieder für den Straßen- und Bahnverkehr geöffnet und ziert seitdem die Postkarten der Stadt.
Die lebendigste Brücke Berlins
Seit dem gilt sie als magischer Anziehungsort der kreativsten und verrücktesten Idee. Kein Wunder, da sie, zwischen Kreuzberg und Friedrichshain gelegen, zwei unglaublich belebte Bezirke vereint – seit der Bezirksreform sind diese nun auch in der Verwaltung vereint. So bietet sie immer wieder das Ambiente für politische Proteste und Flashmobs, Straßenmusiker und Flaneure und die nächtlichen Besucher der brodelnden Clubszene rund um die Brücke. Beispielsweise findet hier an einem Sonntag im Sommer alljährlich die Open Air Gallery statt, auf der über 170 Künstler sich der Menge präsentieren.
Wahnsinn einer Brückeschlacht
Aber unter allen Veranstaltungen fällt doch eine seit 1998 besonders heraus und wird mit der Oberbaumbrücke identifiziert: Die Wasser- und Gemüseschlacht. Hierbei treffen, mit wenigen Ausnahmen, jährlich die verrücktesten Anwohner beider Seiten auf der Brücke und bewerfen sich mit vorzugsweise stark riechendem, verfaultem Obst. Unter Zuhilfenahme von Schaumstoff-Knüppel und Wasserpistolen geht es in einen feierlichen Nahkampf, der ein Schauspiel der ausgefalleneren Art bietet. Wikipedia spricht zu Recht von einer „parodistische(n) Auseinandersetzung mit den diffusen Animositäten der Bewohner“ – mehr ist darüber auch nicht zu sagen, alles weitere muss erlebt werden.
Lage
Die Oberbaumbrücke liegt direkt zwischen den U-Bahnhöfen Schlesisches Tor und Warschauer Straße. Letzterem ist auch als Warschauer Brücke ein S-Bahnhof angegliedert sowie die Endhaltestelle der Straßenbahnlinie M10. Die beste Sicht auf die Brücke lässt von der benachbarten Elsenbrücke zum Sonnenuntergang genießen.